Page 10 - PR_V110SE_IMAGE_HIFI_2018_06_DE
P. 10
Elektrostaten (Dipol), die im Mittel-Hochton-Bereich meist sehr
niederohmig werden. Ein höherer Dämpfungsfaktor wirkt hier
dem systemtypischen Höhenabfall entgegen. Die Treiberröhre
LOW ist mit ihrem niedrigen Dämpfungsfaktor für wirkungs-
gradstarke Konzepte (Breitbänder, Hörner) gedacht.
Bei meinen von Haus aus unkritischen Zwei-Wege-Standboxen
Trenner & Friedl Parker 95 (update Berylliumhochtöner 2017),
bei denen ich zudem den Impedanzverlauf ab 200 Hertz durch ei-
ne Zusatzschaltung glätten kann, hat sich die LOW-Version als be-
sonders spielfreudig erwiesen. Der Verstärker hatte die Membra-
nen gut im Griff, nahm sie aber nicht absolut in die Zange, sodass
der Spieltrieb der Lautsprecher genau richtig zur Geltung kam. Sie
wirkten „wie losgelassen“ in dem positiven Sinne, wie sich ein
Fohlen auf der Koppel losgelassen fühlt – wobei man sich die Um-
zäunung genau als jene Grenze vorstellen kann, die der Verstärker
dem Lautsprecher durch sein elektrisches Signal setzt. Selbst wenn
man die beiden alternativen Röhren im Moment nicht benötigen
sollte, bietet Octave mit diesem Feintuning eine geniale und vor
allem genial einfache Lösung zur optimalen Anpassung des Ver-
stärkers bei einem allfälligen Tausch der Lautsprecher.
Klanglich wesentlich mehr ausgewirkt haben sich aber natur-
gemäß das alternative Endröhrenset und die Super Black Box. Das
war schon sehr, sehr spannend, wie anders der Verstärker mit den
KT 88 Genalex Gold Lion geklungen hat. Um diese Röhren mit ih-
rer geringeren Leistung optimal zu versorgen, kann man beim V
110 SE einen Schiebeschalter an der Rückseite von „High“ auf
„Low“ umstellen. Sobald die Gold Lion eingesetzt waren und der
Verstärker mit seinem röhrenschonenden Softstart hochgefahren
war, zeigte sich auf Anhieb die andere Klangcharakteristik. In mei-
ner ganz persönlichen Wahrnehmung trat damit der Röhrencha-
rakter deutlich in den Vordergrund. Wo die KT 120 mit ihrer allzeit
überschüssig verfügbaren Dynamik punkteten, ließen die KT 88 es
ein wenig swingender, lockerer und entspannter angehen. Sie
brachten nicht alles so exakt auf den Punkt wie die KT 120. Fallwei-
se meinte man dafür aber – etwa beim Saxofon von John Zorn – ei-
nen etwas volleren, farbigeren, schmalzigeren Ton zu hören. Gleich-
zeitig wurde deutlich, dass die KT 88 der griffigen, straffen
Basswiedergabe der KT 120 nicht das Wasser reichen konnten.
Der Octave-Vollverstärker lieferte genau das Ergebnis, das
Röhrenfreaks an ihrem Equipment so sehr schätzen: Dass sie die
Wahl haben, die im Falle des V 110 SE nicht die geringste Qual ist,
weil schlicht und einfach der persönliche Geschmack entscheidet.
Ich persönlich würde sogar so weit gehen, dass ich mit diesem Ver-
6/2018 image-hifi.com PDF